

Degenfechten
Daniel Jerent
Daniel, du bist seit diesem Jahr der neue Nationaltrainer der Schweizer Elite der Männer im Degenfechten. Dein erster offizieller Einsatz fand während des Trainingslagers der Elite am OYM statt. Wie ist es gelaufen und welchen Eindruck hast du von den Schweizer Athlet*innen?
Daniel: Das Trainingslager im OYM war eine hervorragende erste Erfahrung in meiner Rolle als Nationaltrainer. Der Empfang, den ich sowohl von den Athleten als auch vom Staff erhalten habe, war sehr herzlich. Das Lager ermöglichte es mir, die Schweizer Fechter nicht nur auf technischer, sondern auch auf menschlicher Ebene besser kennen zu lernen.
Ich bin sehr beeindruckt von ihrem Engagement und ihrer Professionalität. Es sind Athleten, die hart arbeiten und noch viel Raum für Verbesserungen haben. Mein Ziel ist es, sie zu begleiten, damit sie individuell und als Team einen Schritt nach vorne machen. Ich bin davon überzeugt, dass wir mit harter Arbeit und einer guten Dynamik gemeinsam grosse Dinge erreichen können.
Zurück zu den Wurzeln. Du bist auf Guadeloupe geboren und hast dort mit dem Fechten angefangen. Was hat dich am Fechten fasziniert? Und hast du von Anfang an mit dem Degen gefochten?
Tatsächlich habe ich in Guadeloupe mit dem Fechten begonnen, damals allerdings mit dem Florett. Was mich an diesem Sport faszinierte, war der strategische Aspekt, fast wie eine spannende Schachpartie – mit dem zusätzlichen Adrenalin der Duelle.
Abgesehen davon wurde mir schnell klar, dass der Degensport das Richtige für mich war. Und um ehrlich zu sein, hat mich Enzo Lefort nie mit dem Florett gewinnen lassen, also habe ich lieber die Waffe gewechselt! (lacht) Der Wechsel zum Degen hat es mir ermöglicht, meinen Stil zu finden und mich als Sportler voll zu entfalten.
In Frankreich sind die Athleten auch im Säbel und Florett sehr stark, warum also Degenfechten? Was fasziniert dich am Degenfechten?
Der Degen fasziniert mich, weil jeder Treffer zählt und es kein Vorrecht gibt. Es ist eine Waffe, bei der Strategie, Präzision und Kontrolle entscheidend sind. Sie ermöglicht auch eine grosse Ausdrucksfreiheit, was perfekt zu meinem Stil passt.
Kannst du kurz deinen weiteren Werdegang als Fechter beschreiben, wie und wann du dann in die französische Nationalmannschaft gekommen bist?
Ich habe auf Guadeloupe mit dem Fechten begonnen und habe dann im Ausbildungszentrum in Reims und bei Lagardère Paris Racing trainiert. Nach meinen ersten Erfolgen bei den Junioren wurde ich 2009 Mitglied der französischen Nationalmannschaft.
Danach war meine Karriere von Höhepunkten wie dem Mannschaftsgold bei den Weltmeisterschaften 2014 und vor allem dem Olympiasieg im Mannschaftswettbewerb 2016 in Rio geprägt.
In deiner aktiven Zeit als Degenfechter warst du sehr erfolgreich – im Einzel, aber auch mit dem Team. Was hat dich dazu bewogen, in den Trainerberuf zu wechseln?
Nach meinen grossen Erfolgen als Athlet hatte ich das Bedürfnis, einen neuen Schritt zu wagen: mein Wissen und meine Erfahrung weiterzugeben.
«Als Trainer habe ich nun die Möglichkeit, die Athleten auf Exzellenz auszurichten, wobei der Fokus auf Leistungen auf höchstem Niveau liegt. Die Leitung der Schweizer Degenmannschaft der Herren ist eine neue und spannende Herausforderung, die mir die Möglichkeit gibt, mich im Sport weiterzuentwickeln und gleichzeitig die nächste Generation zu beeinflussen.»
Es ist eine Freude, dich als Trainer zu haben. Du bist noch sehr jung und noch nahe an den Athleten, ihren Bedürfnissen und kannst ihre täglichen Herausforderungen verstehen. Was sind die grössten Herausforderungen für einen Spitzenfechter auf der Planche und im Leben?
Die grössten Herausforderungen eines Spitzenfechters sind vor allem mentaler Natur. Auf der Planche muss man mit dem Druck umgehen können, konzentriert bleiben und vor allem sich selbst nach jedem Kampf hinterfragen.
«Es ist ein ständiger Kampf, die eigene Leistung zu verbessern und sich an jeden Gegner anzupassen. Im Leben ist das Gleichgewicht zwischen persönlichen Verzichten, dem Umgang mit Verletzungen und der Notwendigkeit, eine eiserne Disziplin aufrechtzuerhalten, ebenso schwierig. Aber gerade diese Herausforderung, die Fähigkeit, mental stark zu bleiben, macht die Schönheit des Spitzensports aus.»


Wie würdest du deinen persönlichen Fechtstil beschreiben? Und kann man am Stil erkennen, welche Nation der Athlet vertritt?
Mein persönlicher Stil war eher aggressiv, mit einem starken Charakter. Ich mochte es, die Initiative zu ergreifen und versuchte, den Gegner von Beginn des Gefechts an zu dominieren, wobei ich meine Entscheidungen immer strategisch traf. Ich liess dem Gegner nicht so leicht Raum und gab gerne mein Tempo vor. Auf die Frage, ob der Fechtstil die Nation bestimmt, würde ich sagen, dass jedes Land eine andere Herangehensweise haben kann, aber in erster Linie ist es der Athlet, der seinen eigenen Stil definiert. Kulturelle Einflüsse und das Training spielen eine Rolle, aber was den Unterschied ausmacht, ist die Persönlichkeit des einzelnen Fechters.
Du weisst, dass wir in der Schweiz drei Landesteile haben? Kannst du schon Unterschiede zwischen den Athleten aus der Romandie, der Deutschschweiz und dem Tessin feststellen? Charakterlich, fechterisch?
Ich bin noch nicht weit genug, um definitive Schlüsse ziehen zu können, aber ich kann sagen, dass die Schweizer Athleten, egal aus welcher Region sie kommen, alle eine seriöse Einstellung und einen starken Willen haben. Sie arbeiten leistungsorientiert mit einer Mischung aus technischer Strenge und Leidenschaft. Es ist interessant zu sehen, wie jeder Athlet sein einzigartiges Potenzial zum Ausdruck bringt und gleichzeitig die Dynamik des Teams integriert. Das bringt Reichtum und Vielfalt mit sich, und es ist eine interessante Herausforderung, den Zusammenhalt zu fördern und gleichzeitig diese Besonderheiten zu respektieren.
Bevor du zu Swiss Fencing gekommen bist, hast du als Assistent des französischen Nationaltrainers gearbeitet. Welche grundsätzlichen Unterschiede siehst du im Training, in der Mentalität, im Fördersystem?
Da ich erst vor wenigen Wochen angekommen bin, habe ich noch nicht genügend Abstand, um mir ein vollständiges Bild machen zu können. Was ich sagen kann, ist, dass ich motivierte Athleten und ein Umfeld sehe, das die Entwicklung auf hohem Niveau fördert. Mein Ziel ist es, mich schnell einzuleben und meinen Teil dazu beizutragen, dass die Athleten ihre Ziele erreichen.
Die Rolle des Trainers besteht unter anderem darin, das Potenzial seiner Athleten auszuschöpfen. Siehst du bereits Ansatzpunkte, an denen du im Training arbeiten möchtest?
«Mein Ziel ist es, die Fechter dazu zu bringen, ihr Anspruchsniveau zu erhöhen, strategisch zu denken und sich ständig selbst zu übertreffen. Wir werden zusammenarbeiten, um einen einheitlichen Block zu schaffen, in dem jedes Mitglied, unabhängig von seiner Rolle, das Kollektiv nach oben zieht. Indem wir diesen Zusammenhalt und den gemeinsamen Ehrgeiz schmieden, werden wir in der Lage sein, die grössten Wettkämpfe zu bestreiten und zu dominieren.»
Geht deiner Erfahrung nach das Vertrauen zwischen Athlet und Trainer dem Erfolg voraus oder geht es mit ihm einher?
Das Vertrauen zwischen Athlet und Trainer geht mit dem Erfolg einher. Es kommt nicht von selbst, sondern baut sich im Laufe des Trainings, der gemeinsam gemeisterten Herausforderungen und der miteinander geteilten Momente auf.
«Ohne Vertrauen gibt es keinen Fortschritt, geschweige denn Leistung. Meine Aufgabe ist es, dieses Umfeld zu schaffen, in dem der Athlet weiss, dass wir gemeinsam vorankommen – mit Anspruch und Ehrgeiz.»
Daniel, wie siehst du deine neue Rolle als Nationaltrainer, wie möchtest du sie ausfüllen bzw. definieren und was sind deine Ziele mit der Schweizer Elite?
Ich bin jung und beginne meine Trainerkarriere mit einer grossen Herausforderung, die ich aber mit Zuversicht und Entschlossenheit angehe.
«Mein langfristiges Ziel ist klar: die Qualifikation für die Olympischen Spiele 2028. Aber es geht nicht nur darum, sich zu qualifizieren, sondern wir werden alles daran setzen, eine Medaille zu gewinnen. Schon jetzt ist es wichtig, dass wir uns ohne Komplexe auf die Zukunft konzentrieren und alles tun, um erfolgreich zu sein. Dazu gehört auch, in den kommenden Saisons bei Europa- und Weltmeisterschaften um Medaillen zu kämpfen. Jeder Schritt ist eine Chance, ein starkes, ehrgeiziges und leistungsorientiertes Team aufzubauen.»