Swiss Para Fencing – Rollstuhlfechten

Franz Sterchi

Franz, du bist Präsident des Fechtclubs Baden – der Fechtclub für alle und seit kurzem Leiter der Arbeitsgruppe Rollstuhlfechten von Swiss Fencing. Seit vielen Jahren engagierst du dich mit deiner Frau Franziska für den Breitensport und ihr verfügt über ein grosses Know-how im Rollstuhlfechten. Welche Projekte im Bereich Rollstuhlfechten habt ihr bereits geleitet oder initiiert?

Franz: Wir sind ursprünglich eigentlich Handballer. Vor ca. 20 Jahren hat Franziska mit dem Fechtsport angefangen und ist nach wie vor mit Begeisterung und Engagement dabei. Meine fechterischen Bemühungen halten sich in ganz engen Grenzen auf Anfängerniveau. Ich bin Organisator, Begleiter und alles, was so dazugehört.

2019 habe ich in Zusammenarbeit mit der Schweizerischen Paraplegiker Vereinigung (SPV) die Statutenänderung zur Integration des Rollstuhlfechtens bei Swiss Fencing erwirkt. Konkret haben wir in Baden einen Rollstuhlfechter betreut, mit ihm trainiert und an internationale Turniere in Frankreich, Italien und Deutschland begleitet. Ein Höhepunkt war sicherlich ein einwöchiges Trainingscamp an der französischen Mittelmeerküste mit dem Collectif France (dem französischen Nationalteam).

Kannst du einen kurzen Überblick geben, wie viele Personen im Rollstuhl heute in der Schweiz fechten und wie gross das Potenzial in der Schweiz überhaupt ist?

Leider sind es derzeit wenige, die diesen Sport ausführen.

«Das Hauptproblem sehe ich aber dahingehend, dass keine Führung und Koordination, keine Gemeinsamkeiten vorhanden sind. Da sehe ich meine Aufgabe, Strukturen zu erarbeiten und umzusetzen, die zur Förderung dieses attraktiven Sports beitragen.»

Hast du bei Menschen im Rollstuhl eine Art persönliche Hemmschwelle festgestellt, mit dem Fechten zu beginnen?

Man sollte hier nicht differenzieren, es geht um Sportler mit allen ihren persönlichen Motiven, Erwartungen und Zielen. Selbstverständlich kann es gesundheitlich bedingte Vorbehalte geben. Dies kann aber relativ schnell erkannt und besprochen werden.

Welche Effekte hat das Fechten auf Personen im Rollstuhl? Körperlich, mental, sozial?

Hauptsächlich geht es nach meinen Erfahrungen um Emotionen, sportlich etwas zu erreichen, die eigene Leistungsgrenze zu verschieben und vor allem um die gesellschaftliche Integration.

Welche Trainingsmethoden und -ansätze hältst du für effektiv, um Athlet*innen im Rollstuhlfechten auszubilden?

Schwierig, hier eine klare Aussage zu machen. Die Art und Schwere der Beeinträchtigung variiert sehr stark und erfordert von den Ausbildnern (Trainer oder Maîtres) neben der fachlichen Kompetenz vor allem viel Empathie und Verständnis für jeden einzelnen Sportler mit seinen Bedürfnissen und Möglichkeiten.

Wie viele Trainer*innen gibt es heute in der Schweiz, die sich auf Rollstuhlfechten spezialisiert haben? Und wo kann man eine solche spezifische Zusatzausbildung absolvieren?

Die spezifische Zusatzausbildung für den Behindertensport wird für das Rollstuhlfechten von der Schweizerischen Paraplegiker Vereinigung angeboten, einzelne Ausbildungsmodule können auch bei Plusport gemacht werden. Spezielle Trainer- und Kampfrichterkurse finden auch regelmässig in Frankreich statt. Die Trainer von Lugano, Bern und Baden haben diese Ausbildungen absolviert.

Welche systemischen und infrastrukturellen Voraussetzungen sind deiner Meinung nach notwendig, um Rollstuhlfechten in der Schweiz erfolgreich zu etablieren?

Nicht jeder Fechtverein hat die Möglichkeiten Rollstuhlfechten anzubieten. Es braucht neben dem finanziellen Aufwand auch die Voraussetzungen des barrierefreien Zugangs zur Trainingslokalität. Da sind wir schon stark eingeschränkt.

«Zielvorstellung ist, dass 5 bis 6 regionale Trainingscenter mit entsprechendem Angebot eingerichtet werden können.»

Wie müssen die Strukturen aussehen, damit das Potenzial in der Schweiz überhaupt ausgeschöpft werden kann?

Strukturen zu schaffen ist nicht das Problem. Personen mit viel Herzblut zu finden, die sich mit grossem Engagement für Mitmenschen mit einer Beeinträchtigung einsetzen, ist die eigentliche Herausforderung.

Welche Organisationen oder Partner könnten helfen, das Rollstuhlfechten zu fördern?

Es ist wie im «normalen» Sport auch. Wir brauchen mehr Eigeninitiative, interessante Angebote, müssen unsere Aktivitäten verstärken und Präsenz markieren. Nur so können wir neue Fechterinnen und Fechter von unserem Sport begeistern.

Inwiefern ist die Zusammenarbeit mit Schulen oder Sportvereinen relevant, um das Bewusstsein für diesen Sport zu erhöhen?

Die Förderung und Integration der Menschen mit einer Beeinträchtigung sind in allen Bereichen von zentraler Bedeutung. Da können Schulen und Sportvereine, welche sich dafür einsetzen und die gegenseitige Akzeptanz auch leben, einen wichtigen Beitrag leisten. Denn vergessen wir nicht; Niemand ist gefeit, sich von einer auf die andere Sekunde als «Person mit einer Beeinträchtigung» wiederzufinden.

Welche Ansätze siehst du, um die notwendigen Ressourcen und finanziellen Mittel für das Rollstuhlfechten zu sichern?

Rollstuhlfechten ist keine kostengünstige Sportart. Die Beschaffung von finanziellen Mitteln ist machbar, da sind einige Institutionen bekannt.

«Was wir brauchen, sind Personen mit Engagement. Es wäre schön, und ein guter Anfang für dieses Projekt, wenn sich Vereine und einzelne Personen bei mir melden würden, sei es betreffend eines inklusiven Breitensportturniers, einer anderen Aktivität oder schlicht für die Mitarbeit.»

Gibt es spezielle Förderprogramme oder Stiftungen, die du in Betracht ziehst?

Ja, das gibt es. Zum Beispiel hat Swiss Olympic im letzten Jahr eine Fachstelle «Inklusion» gebildet, wo Fördergelder beantragt werden können.

Welche Herausforderungen siehst du für die flächendeckende Einführung und das Wachstum des Rollstuhlfechtens in der Schweiz? Und welche Strategien sind geplant?

Die gewählte Strategie soll realitätsnah und offen für Änderungen sein. Wir machen keine hochtrabenden Versprechungen wie Teilnahme an Paralympics etc., sondern setzen alles daran, dass es einige Teilnahmemöglichkeiten für Rollstuhlfechter an Breitensportturnieren geben wird.

Wie kann eine inklusive Gemeinschaft rund um das Rollstuhlfechten geschaffen werden?

Allgemein gesagt: Die Politik gibt den Ton an: Die Umsetzung des Übereinkommens der UNO über die Rechte von Menschen mit einer Beeinträchtigung und auch die aktuellen Themen zum Behinderten Gleichstellungsgesetz verlangen tiefgreifende Änderungen im gesellschaftlichen Leben. Da hat die Schweiz im internationalen Vergleich noch einigen Nachholbedarf.

Franz, welche Massnahmen müssten ergriffen werden, um die Integration von Rollstuhlsportler*innen in den allgemeinen Fechtsport zu fördern?

Wir bieten interessante Angebote an, müssen diese aktiv bewerben. Schlussendlich braucht es aber auch ein Interesse der Behindertensportverbände, diese neuen Angebote in ihre Sportprogramme aufzunehmen und die Mitglieder zum Mitmachen zu animieren.

Kontaktangaben für freiwillige Mitarbeit und weitere Informationen über die Arbeitsgruppe Rollstuhlfechten von Swiss Fencing:

Franz Sterchi
T : +41 774 477 328
E : franz.sterchi@swiss-fencing.ch

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