Florettfechten

Olivia Zindel-Geisseler

Olivia, du bist dem Florett schon sehr lange verfallen und trainierst heute im Zürcher Fechtclub ab und zu noch in einer eher kleinen Gruppe Gleichgesinnter. Wie bist du zum Florettfechten gekommen und was hat dich dazu motiviert, diese Sportart zu wählen?

Olivia: Mein grosser Bruder hat gefochten und weil ich dachte, «das kann ich auch», habe ich, sobald ich 6 Jahre alt war, auch einen Schnupperkurs bei der Fechtgesellschaft Küssnacht gemacht (zusammen mit Max Heinzer). Damals haben alle Kinder mit dem Florett begonnen.

Das Training in einer kleinen Gruppe bietet sicher eine besondere Atmosphäre. Was schätzt du an der Gruppendynamik und der Zusammenarbeit mit anderen Fechterinnen und Fechtern?

Das Training ist sehr offen bei uns, wir organisieren uns selbst. Aber es ist schön, dass wir seit vielen Jahren eine relativ stabile Gruppe sind. Da Zürich sehr international ist, gibt es auch immer wieder ausländische Florettfechter, die im Club vorbeischauen und über kürzere oder längere Zeit mittrainieren.

Das Florettfechten ist weniger populär als das Degenfechten, vor allem in der Deutschschweiz. Warum ist das aus deiner Sicht so?

Wohl an den fehlenden Trainingsmöglichkeiten. Es gibt auch kaum noch Maître, die mit dem Florettfechten vertraut sind und Lektionen geben können. Als Florettfechter:in wird man auch immer wieder motiviert, auf Degen umzustellen. Wäre ich wohl nicht so stur, hätte ich auch schon lange auf Degen umgesattelt😉.

Welche Herausforderungen hast du als Florettfechterin erlebt, insbesondere in Bezug auf Trainingsmöglichkeiten und Wettkämpfe?

In meinen ersten Jahren als Florettfechterin habe ich das noch nicht so bemerkt, erst ab ca. Juniorenzeit wurde es mit den Trainingsbedingungen schwierig. Viele Kolleg:innen sind auf Degen umgestiegen und es fehlte an Trainingspartnern. An Wettkämpfe (v.a. Weltcups) musste ich allein (bzw. mit meiner Mutter, vereinzelt begleitet durch den Clubtrainer) reisen. Das fehlende Team war schon schwierig für mich. Ohne die Unterstützung meiner Eltern wäre das nicht gegangen. In der Schweiz gab es auch kaum noch Wettkämpfe für Florettfechter:innen, daher musste ich häufig ins benachbarte Ausland.

Hast du das Degenfechten nie in Erwägung gezogen?

Als ich bei den Cadettes erfolgreich war, haben verschiedene Trainer mich oft überzeugen wollen auf Degen umzustellen. Ich habe dann auch ab und zu mal einen Degen in die Hand genommen und auch einige Degenturniere gefochten (u.a. Team SM 2017, 2. Platz). Aber die Freude ist/war einfach nicht gleich gross. Ich konnte mich nie so richtig damit anfreunden. Mein Temperament und mein Fechtstil passt meines Erachtens einfach besser zum Florett. Dennoch fechte ich auch heute selten mal Degen…

Was sind deine persönlichen Ziele, gibt es bestimmte Turniere, auf die du hinarbeitest?

Ich habe zwei kleine Kinder (2 und 4 Jahre alt). Deshalb nehme ich mir im Moment nicht viel Zeit zum Fechten. Dennoch freue ich mich über jedes einzelne Training. Gerne würde ich zukünftig wieder häufiger in der Fechthalle sein und wer weiss, vielleicht als Veteranin auch mal wieder an einem Turnier (auch international) teilnehmen. Der Wettkampfgeist ist geblieben und die Turnieratmosphäre liebe ich noch immer.

Wie beeinflusst das Florettfechten dein tägliches Leben ausserhalb des Sports? Gibt es Aspekte, die dir in anderen Lebensbereichen helfen?

Das Fechten und wohl der Wettkampfsport hat mich bestimmt geprägt und ich konnte mir viel Fähigkeiten aneignen, die ich im Alltag brauchen kann. Zu Schul- und Studiumszeiten, aber auch jetzt bei der Arbeit kann ich z.B. von der intensiven Konzentration, schnellen Entscheidungen und Durchhaltevermögen sehr profitiert. Bestimmt habe ich durch das Fechten auch schon sehr früh gelernt, mit Siegen und Niederlagen respektvoll umzugehen und diese zu akzeptieren.

«Für mich ist es auch immer wieder verblüffend, wie ich während des Fechtens «die Alltagssorgen» vergessen kann. Sobald ich auf der Fechtpiste stehe, sind meine Gedanken voll und ganz beim Fechten. Diese Art von «Abschalten» erfahre ich sonst nicht.»

Die Schnelligkeit, Beweglichkeit, das Verständnis fürs Timing, das Körperbewusstsein und auch die Koordination helfen mir bestimmt auch, andere Sportarten relativ rasch und einfach zu lernen.

Olivia, was würdest du Kindern und Erwachsenen raten, die daran denken, Florettfechten zu lernen?

Schwierige Frage: So viel ich weiss, gibt es diese Möglichkeit gar nicht mehr oder kaum noch in der Deutschschweiz. Es bleibt einem wohl nichts anderes übrig, als mit Degenfechten zu beginnen (was für Anfänger, v.a. im Erwachsenenalter wohl auch einfacher ist).

«Auch aufgrund der schwierigen Trainingsbedingungen macht es gerade für Kinder keinen Sinn, mit dem Florett zu beginnen. Aber lieber Degenfechten als gar nicht fechten. Der Fechtsport ist so oder so eine sehr tolle Sportart!»

Ich (Olivia Zindel-Geisseler, Luzernerin, 12.09.1986) habe mit 6 Jahren mit dem Fechten begonnen, bin mehrfache Schweizer Meisterin (ca. 10-fach). Ich habe als Cadette und Juniorin an Europa- und Weltmeisterschaften teilgenommen, bin 2005 Ozeanische Meisterin geworden im Team und habe Bronze im Einzel gewonnen (während meines Aufenthaltes in Australien). 2006 habe ich das Kreuzband gerissen (beim Fechten). Die Rückkehr in den Spitzensport gestaltete sich schwierig. Ich habe mich fortan auf mein Studium konzentriert. Inzwischen bin ich promovierte Neuropsychologin und arbeite als Leiterin Neuropsychologie im Rehazentrum Valens. Bis 2019 bin ich dennoch regelmässig (min. 2x/Woche) in der Fechthalle anzutreffen gewesen, da ich diesen Sport einfach liebe und er mir auch ausserhalb des Spitzensports viel gegeben hat. Inzwischen bin ich Mutter von zwei kleinen Kindern (2 und 4) und wohne seit 1.5 Jahren in Graubünden (Jenins). Daher nehme ich mir aktuell nicht viel Zeit für Trainings in Zürich (auch bisschen weiter Weg), aber ich hoffe, dass irgendwann wieder andere Zeiten kommen und ich wieder regelmässig ein Florett (oder zur Not auch ein Degen😉) in der Hand haben kann.

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