

Florettfechten
Stefan Feltgen
Stefan, Sie sind ein aktiver Florettfechter und Beisitzer im Vorstand des Cercle d’Escrime de Morges. Wie viele Florettfechter sind in Ihrem Club aktiv und gibt es auch die Möglichkeit, andere Waffen wie Degen oder Säbel zu praktizieren?Â
Stefan: Der Cercle d’Escrime de Morges zählt rund 50 Mitglieder. Das Florett ist die bevorzugte Waffe des Clubs und alle Mitglieder fechten mit dieser Waffe. Einige von uns fechten auch mit dem Degen. Unser Fechtmeister ist in allen drei Waffen ausgebildet, aber wir haben zurzeit keine Säbelfechter. In der Genferseeregion gibt es jedoch zwei ausgezeichnete Säbelclubs.Â
Können Sie uns einen Überblick über die Geschichte und die Bedeutung des Florettfechtens in der Schweiz geben?
Im Gegensatz zum Degen, der in der Schweiz immer dominiert hat, gab es im Florett bis vor etwa 15 Jahren eine solide Basis mit genügend Fechterinnen und Fechtern für nationale Wettkämpfe. Leider hat Swiss Fencing in den letzten zwanzig Jahren eine Sportpolitik betrieben, die ausschliesslich auf den Degen setzte. Durch diese einseitige Förderung wurde das Florett in die Bedeutungslosigkeit gedrängt und auch der Säbel hat stark darunter gelitten.Â
Der Degen scheint in der Schweiz, insbesondere in der Deutschschweiz, dominant zu sein. Wie würden Sie die aktuelle Situation des Floretts in unserem Land beschreiben?
Das Degenfechten dominiert nicht nur in der Deutschschweiz, sondern in der ganzen Schweiz.
«Wir stehen an einem entscheidenden Punkt: Entweder gelingt es uns, das Florett zu retten und wieder aufzubauen, oder es wird ganz verschwinden. Heute gibt es in der Schweiz nur noch zwei bis drei Vereine, die aktiv Florettfechten betreiben. Wir müssen sie motivieren, sich aktiv an der Wiederbelebung dieser Disziplin zu beteiligen.»
Welche Faktoren sind Ihrer Meinung nach dafür verantwortlich, dass das Florett nicht so gut vertreten ist wie das Degenfechten?
Historisch gesehen gab es in der Schweiz immer mehr Degen- als Florettclubs. Die Sportpolitik von Swiss Fencing hat diese Entwicklung noch verstärkt, was zur heutigen Situation geführt hat. Glücklicherweise ist der neue Vorstand unter der Leitung von Max Heinzer offener für konventionelle Waffen. Max selbst hat seine Fechtkarriere mit dem Florett begonnen, bevor er zum Degen wechselte. Wir freuen uns darauf, mit ihm und seinem Team an der Wiederbelebung des Floretts zu arbeiten.Â
Oft hört man, dass Florett- und Säbelfechten nicht zum «Schweizer Temperament» passen. Was halten Sie davon?Â
Das halte ich für Unsinn. Die Regeln der konventionellen Waffen (Florett und Säbel) sind sicher komplexer als die des Degens, aber das ist eine Frage des Willens, nicht des Temperaments. Ziehen wir den Vergleich zum alpinen Skisport: In der Schweiz gibt es hervorragende Skifahrerinnen und Skifahrer in allen Disziplinen, vom Slalom bis zur Abfahrt. Die Anforderungen und körperlichen Voraussetzungen sind sehr unterschiedlich – trotzdem gibt es überall erfolgreiche Athletinnen und Athleten.Â
In den Nachbarländern ist das Florett viel stärker vertreten. Welche Herausforderungen sehen Sie für die Entwicklung dieser Disziplin in der Schweiz?
Die grösste Herausforderung besteht darin, wieder eine solide Basis in den Vereinen zu schaffen, angefangen bei den Jungen. Dafür müssen Vereine und Fechtmeisterinnen und Fechtmeister gewonnen werden.
Welche Massnahmen sollten ergriffen werden, um das Florett populärer zu machen?Â
Ich sehe drei wesentliche Handlungsfelder: Â Â
- Kommunikation und Promotion: Swiss Fencing muss aktiv für Florett und Säbel werben. Zurzeit werden diese Waffen auf der Website von Swiss Fencing nicht einmal in der Rubrik Geschichte erwähnt – das muss sich ändern!
- Finanzielle Unterstützung: Florett und Säbel erfordern spezielle Ausrüstung (elektrische Westen, spezielle Masken). Ich habe ein Konzept für eine gerechtere finanzielle Verteilung vorgeschlagen, damit Mittel für den Wiederaufbau dieser Disziplinen zur Verfügung stehen. Die Zeichen stehen gut, aber es bleibt abzuwarten, ob die finanzielle Situation von Swiss Fencing dies zulässt.
- Sportliche Förderung: Swiss Fencing hat endlich die sportpolitischen Hindernisse für das Florett beseitigt. Dies könnte einige junge Fechterinnen und Fechter motivieren, sich für diese Waffe zu entscheiden, zumal die Qualifikationsplätze für internationale Wettkämpfe in naher Zukunft weniger umkämpft sein werden als im Degen.




Welche Zielgruppen sollten besonders angesprochen werden, um das Florett wiederzubeleben?Â
Meiner Meinung nach sollten die Kinder im Mittelpunkt der Förderung stehen.
«Das Florett ist eine ideale Einsteigerwaffe: Es ist leichter, einfacher zu handhaben und weniger schmerzhaft als der Degen. Wir wollen aber Fechterinnen und Fechter aller Altersklassen gewinnen, auch im Behinderten-, Therapie- und Schulsport.»
Gibt es bereits Programme oder Initiativen zur Förderung des Florettfechtens in der Schweiz?Â
Im Moment gibt es noch nichts Konkretes, aber wir arbeiten intensiv mit Swiss Fencing daran, Strukturen aufzubauen.Â
Kann die Schweiz bei der Förderung des Florettfechtens von ihren Nachbarn lernen?
Ja, auf jeden Fall. Da es in der Schweiz kaum Florett-Turniere gibt, nehmen unsere Fechterinnen und Fechter regelmässig an regionalen Wettkämpfen in Frankreich, Deutschland und Italien teil. Es gibt bereits einige informelle Austausche mit Vereinen im Ausland, aber noch keine strukturierte Zusammenarbeit – das wäre eine spannende Möglichkeit für die Zukunft.Â
Welche Rolle spielen die Fechtvereine in der Schweiz bei der Förderung des Florettfechtens? Und wie könnte die Zusammenarbeit mit Swiss Fencing verbessert werden?Â
Die Fechtvereine sind das Herz des Fechtsports. Leider gibt es nur noch wenige Vereine, die Florett anbieten. Mit diesen arbeiten wir daran, die Disziplin wieder zu beleben. Swiss Fencing muss uns dabei unterstützen.Â
Was hat Sie persönlich dazu motiviert, sich für die Förderung des Floretts einzusetzen?Â
Ursprünglich war es eine ganz persönliche Motivation: Meine beiden Kinder fechten Florett und haben sportliche Ambitionen. So bin ich selbst auf die Planche zurückgekehrt und habe meine Leidenschaft für diesen Sport wiederentdeckt.
«Heute engagiere ich mich aus Liebe zu dieser Disziplin und aus der Überzeugung, dass eine starke Schweizer Fechtszene langfristig nur mit allen drei Waffen möglich ist.»Â
Stefan, was ist Ihre persönliche Vision für die Zukunft des Floretts in der Schweiz?
In zehn Jahren wünsche ich mir, dass in der Schweiz mindestens zehn Vereine aktiv Florettfechten praktizieren und wir an nationalen Wettkämpfen mindestens zwanzig Fechterinnen und Fechter pro Altersklasse (U14, U17, U20) stellen können. Dies würde eine Basis von 400 bis 500 aktiven Florettfechterinnen und Florettfechtern erfordern – vier bis fünf Mal mehr als heute.Â
Die Arbeit beginnt jetzt.Â