Simon Heinis
langjähriger Physiotherapeut

Simon, du warst viele Jahre der Physiotherapeut von Max. Wie würdest du dein Verhältnis zu ihm beschreiben?

Simon: Ich habe Max an der Cadet-/Junioren-WM 2004 in Plovdiv Bulgarien als damals 16-jährigen Florett- und Degenfechter kennengelernt.

Danach war ich in den folgenden 17 Jahren an vielen wichtigen Wettkämpfen mit Max und seinen Nationalmannschaftskollegen unterwegs. Meine Beziehung zu ihm war professionell, aber über die Zeit demzufolge auch kollegial/freundschaftlich und ich habe das Gefühl, manchmal auch ein wenig wie ein grosser Bruder.

Vorstellbar, dass man während den Therapiestunden einige Gedanken austauscht. Kannst du aus dem Nähkästchen plaudern?

Immer wieder wurden ganz viele Gedanken zu bevorstehenden oder gemeisterten sportlichen und privaten Herausforderungen ausgetauscht, aber…:

«What happens in the Physioroom, stays in the Physioroom!»

Unsere beiden Lebenssituationen haben sich in diesen Jahren verändert. Gerne stand ich auch mit Rat zur Seite, wie das spannende Leben mit eigenen Kindern ist. Häufig haben wir aber auch das Tableau, die nächsten Gegner und seine Strategie besprochen, ohne dass ich eine Ahnung gehabt habe…

Kannst du aus professioneller Sicht kurz beschreiben, was der Fechtsport von einem Spitzensportler wie Max verlangt?

Alles wird abverlangt, totales Commitment, Verzicht, Risikobereitschaft, Leidensfähigkeit.
Aber nicht nur von ihm, sondern auch von seinem ganz persönlichen Umfeld (seinen Eltern, seinen Geschwistern und natürlich von seiner eigenen Familie mit den Kids).

Der Fechtsport hat sich unglaublich verändert in der Zeit, wo ich dabei sein durfte. Die Athletik und die mentale Stärke wurden zunehmend wichtiger. Spannend ist effektiv, wie unterschiedlich die Athleten mit ihren körperlichen Voraussetzungen umgehen. Max hat es immer verstanden, seine Geschwindigkeit und Explosivität, sein schnelles Auge gewinnbringend einzusetzen. Eine fundierte Ausbildung in zwei Waffen, eine konstante Suche nach neuen Herausforderungen und Methoden, eine akribische Vorbereitung körperlich und mental und unzählige Stunden leidensbereit auf der Planche, nochmals und nochmals die gleiche Aktion üben, haben ihn zum Erfolg getragen.

Und kannst du dich an eine Situation erinnern, die für ihn und für dich schwierig war?

Kazan 2014, im Halbfinal Schlussgefecht gegen Yannick Borel… Der Franzose läuft mit voller Geschwindigkeit seitlich ins Knie von Max. Er und ich waren davon überzeugt, dass eine schwerere Knieverletzung das Resultat war. Die Enttäuschung und der physische Schmerz waren kaum zu bändigen. Zum Glück hat sich die Verletzung als nicht so schwerwiegend herausgestellt und er konnte nach ein paar Wochen wieder angreifen.

Tokyo 2021, der Moment in dem klar war, dass auch die dritte Olympiateilnahme nicht mit einer Medaille belohnt wurde. Olympia, nur schon die Qualifikation als «kleine» Fechtnation ist per se schon ein Riesenerfolg, aber eben man will nicht nur dabei sein, sondern um eine Medaille mitspielen.

Kannst du Max aus deiner Sicht als Mensch und als Spitzensportler beschreiben?

Max lebt das Fechten, den Sport, die Ambition der Beste im Fach zu sein. Das war die Voraussetzung für seine Erfolge als Fechter. Er hat eine unglaubliche Akribie – ich kenne keinen Athleten, der sich so facettenreich vorbereitet. Tausend Gedanken, was zielführend sein könnte. Er versuchte jede Facette seiner Gegner zu analysieren und zwang so häufig den Erfolg auf seine Seite.

Ich glaube, so wie Max durch seine eindrückliche Karriere gegangen ist, lässt sich Mensch und Spitzensportler nicht trennen.

Was waren ganze besondere, einprägsame Momente, die du während seiner Karriere zusammen mit Max erleben durftest?

Sicherlich die vielen Medaillen an Europa- und Weltmeisterschaften, mit dem Höhepunkt des Team-Weltmeistertitels in Wuxi/CHN 2018. Aber auf menschlicher Ebene, seine Freude darüber, dass er Papa wird.

Wie hast du reagiert, als du erfahren hast, dass Max zurücktreten will?

Die erste Rücktrittsankündigung war im Frust nach der verpassten Chance in Tokyo 2021. Doch dann setzte sich der Athlet und «Besessene» durch und nahm die Herausforderung an, ein neues Team nach Paris zu bringen. Nach seiner schweren Verletzung in der Qualifikation für Paris und seinen zunehmenden «Verpflichtungen» als dreifacher Papi, war für mich eigentlich klar, dass sich nun ein Kreis schliesst und der richtige Zeitpunkt gekommen schien.

Unter dem Aspekt «Wandel»: Max ist nun Präsident von Swiss Fencing und ein neuer Lebensabschnitt beginnt…

Ja… ein wenig Zeit hätte er sich ja schon nehmen können, aber Max versteht es schnell zu agieren und scheut sich nicht vor der Herausforderung.

Simon, was wünschst du ihm für die Zukunft? Und was wünschst du dir von Swiss Fencing?

Immer den letzten Treffer zum Erfolg… auch wenn die Situation scheinbar aussichtslos scheint.

«Als Fechtathlet ist man nicht nur Sportler, man sollte auch Unternehmer sein, das hat Max sehr früh verstanden und ich gehe davon aus, dass er diesen Spirit auch weiterhin für die Weiterentwicklung, Nachwuchsförderung und finanzielle Sicherheit des Verbandes einsetzen kann.»

Ich erhoffe mir von Swiss Fencing ein klares Bekenntnis zum Spitzensport, mit den Athlet*innen im Fokus. Ich bin überzeugt, dass alle von diesen Role Models profitieren und so die Vereine in allen Landesregionen neue, junge und motivierte Fechterinnen und Fechter gewinnen können. Eine gemeinsame Marschrichtung aller Stakeholder, ohne Partikularinteressen.

Ich wünsche mir natürlich mehr Präsenz dieses wunderbaren Sports in den Medien, Social Media und gegebenenfalls auch wieder mal ein Grossanlass in der Schweiz.

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